Rohre, die den eigenen Verschleiß anzeigen
Rosen-Gruppe entwickelt neue Produkte und baut in Lingen eine neue Test- und Kalibrierhalle
Aus dem Mitte der 70er-Jahre in Lingen gegründeten Ingenieurbüro und der im Pipelineinspektionsgeschäft groß gewordenen Firma Rosen ist längst ein weltweit führender und über 2200 Mitarbeiter zählender Technologiekonzern geworden. Unter anderem intelligente Kunststoffe und neue elektromagnetische Akustik-Durchflussmessungen sollen den Konzern fit für die Zukunft machen – dies erklärten der neue Chief Executive Officer (CEO) Friedrich Hecker und Geschäftsführer Stefan Rühlmann in einem Interview mit unserer Zeitung:
Herr Hecker, die Rosen-Gruppe ist mittlerweile weltweit aktiv, da haben die aktuellen Ereignisse auf der Krim doch bestimmt auch Auswirkungen auf Ihre Tätigkeit?
Hecker: Wir müssen permanent weltweit derartige Ereignisse und Entwicklungen im Blick haben. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew zum Beispiel haben wir ein Büro mit mehreren Mitarbeitern. Da haben wir uns bei den Vorfällen auf dem Maidan täglich informieren lassen, um im Hinblick auf die Sicherheit unserer Mitarbeiter entscheidungsfähig zu sein. Letztlich sind unsere Angestellten aber nur zwei Tage zu Hause geblieben. Zudem ist die Ukraine auch ein Transitland für Gas, da hat es für unser Inspektionsgeschäft schon Auswirkungen, ob mehr oder weniger Gas durch die Leitungen transportiert wird.
Seit etwas über einem Jahr sind Sie CEO, also Konzerngeschäftsleiter der Rosen-Gruppe. Firmengründer Hermann Rosen zieht sich mehr und mehr aus dem operativen Geschäft zurück: Was sind Ihre Aufgaben im Unternehmen?
Hecker: Neben dem Aufbau neuer Geschäftsfelder besteht meine Hauptaufgabe darin, vor dem Hintergrund steten Unternehmenswachstums, die Organisations-, Management- und Mitarbeiterstrukturen weiterzuentwickeln, um weiterhin erfolgreich auf den globalen Märkten zu agieren. Ich verbringe dafür rund ein Drittel meiner Arbeitszeit in Lingen, ein Drittel in der Zentrale in Stans in der Schweiz und ein Drittel bei unseren weltweiten Standorten. Das in der Regel zweistellige Umsatzwachstum stellt eine Herausforderung dar. Hermann Rosen wird dabei weiterhin den Entwicklungsbereich, die Unternehmenskultur sowie die langfristige Unternehmensstrategie mit dem einhergehend geplanten Wachstum und der Unternehmensunabhängigkeit skizzieren. Letzteres wird in nächster Zeit vom sogenannten Familienboard übernommen – einem Gremium, das sich aus Mitgliedern der Familie und externen Mitgliedern zusammensetzen wird.
Und wie weit ist Rosen bei dieser Entwicklung?
Hecker: Das ist ein konstruktiver Prozess, bei dem wir auf einem guten Weg sind. Das Unternehmen ist natürlich stark geprägt von Hermann Rosens Visionen. Ziele werden immer offen kommuniziert und Probleme im Team gelöst. Grundlage ist dabei, dass möglichst alle Arbeiten im Haus stattfinden und nur wenige Produkte zugekauft werden. So liegt die eigene Wertschöpfung bei rund 90 Prozent. Dadurch war und ist dieses Unternehmen sehr flexibel, und das Know-how verbleibt im Haus.
Stichwort Know-how und hohe eigene Wertschöpfung: Wie sichert Rosen die eigenen Entwicklungen ab?
Hecker: Wir haben einige Patente. Aber damit ist es ja nicht getan, da Verstöße dagegen natürlich auch verfolgt werden müssen. Wir gehen da einen anderen Weg und stecken das Geld lieber direkt in die Forschung und Entwicklung. Durch diese hohe Innovationskraft haben wir sehr kurze Entwicklungszyklen, sodass wir unseren Wettbewerbern immer einen Schritt voraus sind.
Sie sprachen bei Ihren Aufgaben auch vom Aufbau neuer Geschäftsfelder?
Hecker: Das ist richtig, neben unserem Pipelineinspektionsgeschäft sind wir dabei, neue Geschäftsfelder auf- und auszubauen. Wir haben beispielsweise einen sehr leistungsfähigen Polyure than-Kunststoff entwickelt, mit dem Rohre von innen beschichtet werden. Diese Beschichtung hilft beim Transport von Stoffen in Pipelines, die deren Innenwände stark beanspruchen, zum Beispiel in der Bergbauindustrie. Durch die künftig in den Rohren verbaute Sensorik kann man zudem frühzeitig einen beschädigten Rohrabschnitt erkennen. Daneben sind die Rohre durch den Kunststoff um den Faktor zehn besser vor Abrieb geschützt als bisher genutzte Rohre. Das ist zum Beispiel beim großflächigen Abbau von Ölsanden in Kanada wichtig. Dort sind wir auch dabei, eine eigene Produktionsstätte für diese intelligenten Kunststoffe zu planen. Zudem sind wir dabei, Durchflussmessungen per elektromagnetischer Akustik weiter zu perfektionieren. Mit der Technologie wird es möglich sein, Durchflussmengen in sehr heißen Dampfleitungen und auch die verschiedenen Zusammensetzungen der Medien zu bestimmen.
Und dazu soll auch in Lingen investiert werden?
Rühlmann: Ende März werden wir mit dem Bau einer 24 mal 48 Meter großen Kalibrier- und Testhalle beginnen, dort werden unsere neuen – und patentierten – Durchflussmengenmessgeräte weiterentwickelt und Kunden präsentiert. Die Halle soll Ende Mai stehen, zum Einsatz sollen dabei vor allem wieder regionale Partner aus dem Emsland kommen. Anschließend werden die benötigten Leitungen, Pumpen, Tanks und technische Einrichtungen installiert.
Lingener Tagespost
Ausgabe vom 22.03.2014
Ressort Lokales