Weltweit größte Direktreduktionsanlage in Betrieb genommen - Stahlwerk Benteler als Nutznießer
Niedersächsischer Umweltminister Christian Meyer lobt Lingen als die grüne Wasserstoffhauptstadt Deutschlands
Grünes Eisen für die Stahlindustrie, also mit Einsatz von Wasserstoff und ohne Freisetzung von Kohlendioxid, gibt es bald „made in Lingen“. Am Freitag wurde offiziell eine Pilotanlage an der Schüttorfer Straße in Betrieb genommen.
Die sogenannte Dekarbonisierung der deutschen Stahlindustrie gilt als eine der größten Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel. Karbon steht für Kohlenstoffdioxid, oder kurz CO2. Die Dekarbonisierung meint den Verzicht auf den Einsatz fossiler Stoffe wie Kohle und Gas. Es gilt, bei steigenden Energie- und CO2-Preisen gleichzeitig international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Dekarbonisierung der Stahlindustrie
In Lingen haben die Unternehmen CO2-Grab und Hylron am Freitag im Beisein des niedersächsischen Umweltministers Christian Meyer (Grüne) die nach eigenen Angaben weltweit größte Direktreduktionsanlage offiziell in Betrieb genommen. Dabei reagiert Wasserstoff vollständig mit dem Sauerstoff im Eisenerz und wandelt es in Eisen um.
Anstatt Kohlendioxid entsteht bei dieser Technologie lediglich Wasserdampf, der wieder zur Herstellung von Wasserstoff verwendet werden kann. In einem Forschungsprojekt sollen im ersten Schritt über eine Tonne grünes Eisen (Eisenschwamm) pro Stunde mithilfe von grünem Wasserstoff produziert werden.
Stahlwerk Benteler als Nutznießer
Der Industriepark in Lingen könnte als Standort für diese Anlage nicht besser geeignet sein. Das Stahlwerk Benteler befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gelände der RWE an der Schüttorfer Straße, wo künftig sogenannte Elektrolyseure den Wasserstoff für die „grüne“ Stahlerzeugung produzieren. Der mithilfe von Wasserstoff in der Direktreduktionsanlage produzierte Eisenschwamm soll künftig im Elektrostahlwerk von Benteler in Lingen eingeschmolzen und zu Stahl weiterverarbeitet werden.
„Die Eröffnung der Direktreduktionsanlage am Standort Lingen ist ein Meilenstein innerhalb des gemeinsamen Projekts zur Erzeugung und Verarbeitung von grünem Eisen“, sagte Thomas Michaels, Chief Operating Officer bei Benteler Steel/Tube gegenüber der Redaktion. Benteler freue sich sehr über die Teilnahme an diesem Projekt und darüber, gemeinsam mit den Kooperationspartnern HyIron und RWE einen Beitrag zur grünen Transformation der Stahlindustrie zu leisten.
Minister: Lingen ist die Wasserstoffhauptstadt Deutschlands
Das niedersächsische Umweltministerium hat die insgesamt fünf Millionen Euro teure Anlage mit drei Millionen Euro gefördert. „Eine Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität ist unerlässlich, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen“, sagte Minister Christian Meyer. Der Grünen-Politiker lobte außerdem das Innovationspotenzial des Projektes. Es bestätige Niedersachsens Weg, grünes Wasserstoffland Nr. 1 in Deutschland zu werden. „Und Lingen ist die grüne Wasserstoffhauptstadt Deutschlands“, schob Meyer hinterher.
Elektrolyseur zur Wasserstoffproduktion bald fertig
Jörg Walter, der bei RWE die globale Wasserstoffstrategie des Unternehmens mit formt, verwies auf erhebliche Investitionen im Industriepark in Lingen beim Aufbau sogenannter Elektrolyseure zur Produktion von Wasserstoff. Eine Anlage wird in unmittelbarer Nähe zur Direktreduktionsanlage in den nächsten Monaten fertiggestellt.
HyIron-Vertreter Stephan Köhne hob das große Interesse hervor, das die Technologie der Direktreduktionsanlage bereits ausgelöst habe. Die Stahlbranche ist die Branche mit dem höchsten Anteil von Treibhausgasemissionen. Der Dekarbonisierung der Roheisenproduktion kommt deshalb eine Schlüsselrolle zu.
„Das Emsland ist nicht nur Stromtransitland“
Erster Kreisrat Martin Gerenkamp verwies auf die gemeinsamen Bemühungen von Stadt Lingen und Landkreis Emsland, im Rahmen der Energiewende „nicht nur Stromtransitland“ zu sein. Das Ergebnis dieser Bemühungen werde nun in Lingen sichtbar.
Oberbürgermeister Dieter Krone sprach bei der Inbetriebnahme der weltweit ersten Anlage zur grünen Stahlerzeugung von einem historischen Moment. Die Ausgangsfrage vor acht Jahren, wie die Transformation des Energiestandortes Lingen nach der Abschaltung des Kernkraftwerkes gelingen könne, sei jetzt beantwortet. Krone: „Die Puzzleteile fügen sich nach und nach zusammen.“
Per Knopfdruck setzten Umweltminister Christian Meyer (dritter von links) mit Vertretern der beteiligten Unternehmen, des Kreises und der Stadt und dem Botschafter Namibias, Martin Andjaba, die Anlage in Betrieb.
Quelle: https://www.noz.de/45273737
Fotos: Lingener Tagespost/NOZ