Industrielle Inseln im Park

Hohe Erwartungen an neue Faser aus Lingen

Dralon will ins Carbon-Geschäft

Dralon ist eine der bekanntesten Marken unter den Acrylfasern. Und Dralon kommt aus Lingen. Künftig soll der Industriestandort auch für ein anderes Faserprodukt mit Weltmarktpotenzial stehen: Die Nachfrage nach dem Werkstoff Carbon steigt. Zunächst aber gehen die Lingener mit einer anderen Industriefaser auf den Markt.


Wer bei Dralon an Textilfasern denkt, liegt zunächst einmal grundsätzlich richtig – zunächst einmal. Ende 2013 machte das Lingener Unternehmen zusätzlich von sich reden, als seine Geschäftsführer Stefan Braun und Dieter Heinkes der Öffentlichkeit mitteilten, in das Carbon-Geschäft einsteigen zu wollen. Jetzt gibt es wieder etwas Neues zu berichten: Das Unternehmen hat eine neue Faser entwickelt, die den Namen „Dralon F“ trägt. Das Unglaubliche: Mit einem Gramm dieser neuen Faser lässt sich ein 100 Quadratmeter großes Tuch weben. Zum Vergleich: Japanische Unternehmen, bisher weltweit führend in diesem Geschäft, können „nur“ 20 Quadratmeter abdecken.

 


Dort, wo heute 185 Arbeitnehmer die Acrylfaser Dralon auf sieben Produktionsstraßen herstellen, sollen zukünftig auch Carbonfasern gefertigt werden. „Wie die Acrylfaser verlangt die Carbonfaser viel Handarbeit. Wir haben dieses Know-how, weil wir mit unserer Acrylfaser Dralon marktführend sind. Wir wollen dieses Wissen um die Herstellung von Carbon auch in Lingen belassen“, betont Geschäftsführer Braun.


Die leichten Carbonfasern kommen in einer stetig wachsenden Zahl von Produktgruppen zum Einsatz: Luft- und Raumfahrttechnik, Sportgeräte, immer häufiger auch in Autos. Zurzeit beläuft sich die jährliche Produktion von Carbon auf etwa 40000 Tonnen weltweit – aufgeteilt zwischen China und den USA. Dralon in Lingen könnte etwa 4500 Tonnen jährlich produzieren, was etwa einem Zehntel der Weltmarktproduktion entspräche – und das bei einer immer stärkeren Nachfrage. Prognosen zufolge soll sich die Carbon-Fertigung in den kommenden zehn Jahren verdreifachen – teils ist sogar von 250000 Tonnen Carbon im Jahre 2024 die Rede.


Ende 2016 will Dralon mit der Produktion von Carbonfasern in Lingen beginnen.


Doch bis es mit der Carbon-Fertigung so weit ist, will man sich im Industriepark Lingen-Süd nicht ausruhen. „Also haben wir eine Entwicklungsgruppe gegründet, um herauszufinden, was wir alles können. Und das mit Erfolg“, sagt Geschäftsführer Heinkes.


Der Grund: Jede technologische Neuerung wie etwa die seit Jahrzehnten gesponnene Acryl-Faser komme irgendwann ans Ende ihrer Ära. „Also stellte sich für uns die Frage, wie wir einen Mehrwert aus den Polymeren generieren können.“ Synthetische und halbsynthetische Polymere sind die Hauptkomponenten für die Herstellung von Kunststoffen.


Diese Mikrofilamente (dünne fadenförmige Zellstruktur) lassen sich nicht nur im Bereich der Filtertechnik einsetzen, sondern auch im Automobilbau (Bremsen und Kupplung) oder in der Baubranche wie etwa dem Straßenbau – schnell abbindend, elastisch und möglichen Rillen im Asphalt entgegenstehend.


Man habe nach einer Faser gesucht, die sich immer weiter spreizen lässt, um eine größere Oberfläche zu bekommen, erläutern die Geschäftsführer. „Eine Million Euro haben wir in diese Entwicklung investiert und eine weitere Million in die entsprechenden Anlagen, die wir vor zwei Wochen erfolgreich angefahren haben“, sagt Braun nicht ohne Stolz. Man habe so die unternehmenseigene Kernkompetenz auf ein anderes Arbeitsfeld übertragen.


Das Unternehmen soll nach Vorstellungen seiner Manager nun zunächst 20 Tonnen Dralon F jährlich produzieren, um in den Markt einzusteigen. Das neue Produkt solle neben dem klassischen Textilbereich zum zweiten Standbein werden. 2016 sollen bereits 500 Tonnen verkauft werden. „Der Markt wächst, deshalb schauen wir auch optimistisch auf die nächsten Jahre, weil wir in diesem Bereich der Spezialitäten Weltspitze sind“, so Heinkes.


Auf die Frage, wie energieaufwendig die Herstellung von Dralon F sei, antworten die beiden mit einem „Sehr“. Die Polymere müssen mit organischen Lösungen „in Form gebracht“ werden, die es anschließend wieder auszuwaschen gilt. Dafür brauchen wir viel Energie, sprich Dampf, den wir vom benachbarten RWE-Gaskraftwerk beziehen“, erläutert Braun.


Am 22. April sind die ersten Dralon-F-Fasern bei Dralon gesponnen worden. Maßgeblich beteiligt an der Neuentwicklung war als Verfahrensingenieur Christoph Wigbells. Auch wenn der Fachmann sonst eher zu der bescheidenen Sorte Mensch gehört, kann er sich doch ein sichtlich zufriedenes Lachen nicht verkneifen. „So“, betont Wigbells, „jetzt läuft’s.“


Als Glücksfall für die Stadt Lingen bezeichnet Oberbürgermeister Dieter Krone die Produktion der neuen Industriefaser bei Dralon. „Das Lingener Unternehmen setzt damit ein klares Signal für den Wirtschaftsstandort Lingen“, so der Oberbürgermeister. Und er setzt noch einen drauf: „Dralon wird mit dieser neuen Produktionslinie den Markt weltweit dominieren und gleichzeitig demonstrieren, dass „Made in Lingen“ für Qualität und Innovation steht“. Die Erwartungen an Dralon F sind hoch.

 

Lingener Tagespost

Dralon will ins Carbon-Geschäft