Aus Areva wird Framatome
ANF in Lingen sieht sich für Zukunft gut gerüstet
Aus Areva wird Framatome: Der französische Mutterkonzern der Lingener Brennelementefabrik Advanced Nuclear Fuels (ANF) hat einen neuen Namen. Das im Industriepark in Lingen ansässige Unternehmen sieht sich unabhängig davon nach schwierigen Jahren für die Zukunft gut gerüstet, wie die Geschäftsleitung im Gespräch mit unserer Redaktion deutlich machte.
Sehen gute Perspektiven für die Brennelementefabrik ANF in Lingen: Peter Reimann (links), Geschäftsführer von ANF und Werkleiter Andreas Hoff. Die Muttergesellschaft heißt nun Framatome. Foto: Thomas Pertz
Die Umorganisation bei der Konzernmutter Areva, die zuletzt in eine erhebliche finanzielle Schieflage geraten war, ist Teil einer umfassenden Umstrukturierung des Atomsektors in Frankreich. Der Energieversorger Électricité de France (EDF) besitzt nun über 75 Prozent des Kapitals von Areva. Der französische Staat ist Mehrheitseigner beider Konzerne. Die von Areva an EDF abgetretene Reaktorsparte tritt unter dem Namen Framatome auf.
Die Veränderungen auf der Ebene der Muttergesellschaft haben auf die Tochter ANF in Lingen keinen Einfluss, wie Geschäftsführer Peter Reimann und Werkleiter Andreas Hoff betonten. Das Kerngeschäft in Lingen bleibt weiterhin die Produktion von Brennelementen. Da nach der 2011 beschlossenen Energiewende Kernkraftwerke in Deutschland schrittweise bis 2022 abgeschaltet werden, richtet sich ANF am Standort Lingen zunehmend auf den Export von Brennelementen aus. Hoff bezifferte den Anteil auf inzwischen 80 bis 90 Prozent – gegenüber etwa 50 Prozent vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011, die die Ursache für den vorzeitigen Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie war.
Kunden aus ganz Europa
Kunden für die Brennelemente aus Lingen kommen aus ganz Europa. Gerade die Lieferungen von ANF an die Atomkraftwerke Doel und Tihange in Belgien hatten immer wieder Kritik wegen Sicherheitsmängeln in den beiden Atomanlagen hervorgerufen. Hoff und Reimann betonten, dass sie den belgischen Aufsichtsbehörden und deren Sorgfaltspflicht vertrauten. Ihn störe an der Debatte in Deutschland, dass der Eindruck erweckt werde, die Anlagen in Belgien würden schließen, wenn ANF keine Brennelemente mehr dorthin schicke, sagte Hoff. „Brennelemente sind überall auf dem Weltmarkt erhältlich“, sagte der Werkleiter. Wenn die Lieferung nicht aus Lingen komme, dann von der Konkurrenz aus Schweden, England, Spanien und Russland.
„Erstkern“ für Finnland
ANF sieht sich in seinen Anstrengungen, Qualität abzuliefern, durch jüngste Aufträge bestätigt. Erstmals in seiner Unternehmensgeschichte fertigte das Werk einen sogenannten „Erstkern“ für das im Bau befindliche Kernkraftwerk Olkiluoto 3 in Finnland an. Der Erstkern umfasst 245 Brennelemente. Auch wenn die Produktion von Brennelementen das Hauptgeschäft bleibt, hat sich ANF den Worten von Reimann und Hoff zufolge durch zusätzliche Aktivitäten weitere Standbeine geschaffen. Dazu gehören Technologien, Maschinen und Dienstleistungen, die innerhalb, aber auch außerhalb des Konzerns verkauft werden. Reimann, der für die Brennelementefertigung im Konzern weltweit verantwortlich ist, hob hervor, dass ANF in Lingen aufgrund der erworbenen Kompetenz bei Anfragen im Bereich technischer Dienstleistungen oft die erste Wahl sei.
Vor diesem Hintergrund und aufgrund der guten Auslastung des Unternehmens äußerte sich Hoff optimistisch, was die zukünftige Entwicklung des Werkes anbelangt. Derzeit sind dort über 310 Arbeitnehmer beschäftigt. Hinzu kommen knapp 25 Auszubildende und etwa 50 Mitarbeiter von Fremdfirmen. Was die in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten erhobene Forderung nach Schließung der Brennelementefabrik anbelangt, bleibt die Unternehmensleitung nicht nur mit dem Hinweis auf die vorhandene Betriebsgenehmigung gelassen. Reimann verwies auch auf den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, der sich für den „perspektivischen Erhalt von Fachwissen und -personal für Betrieb, Rückbau und zu Sicherheitsfragen bei Nuklearanlagen“ ausspreche. Dazu wolle ANF einen Beitrag leisten. „Die Politik hat gemerkt: Wenn wir uns überall verabschieden, haben wir keinen Einfluss mehr“, sagte Hoff und verwies zum Beispiel auf die Europäische Atomgemeinschaft, kurz Euratom.
Der Artikel erschien zuerst im Online-Angebot der Osnabrücker Zeitung und ist hier abrufbar.