RWE plant größte Elektrolyseanlage der Welt in Lingen
Investitionen von 100 Millionen Euro im IndustriePark geplant
Wasserstoff, erzeugt mit aus regenerativen Energien gewonnenem Strom, soll ein Energieträger der Zukunft werden. RWE plant dafür eine Elektrolyesanlage in Lingen, die es in einer solchen Größe weltweit noch nicht gibt. 100 Millionen Euro möchte der Energiekonzern im ersten Schritt investieren.
Warum setzt RWE auf Wasserstoff? "Wir haben das Ziel, bis 2040 ein klimaneutraler Konzern zu werden", sagt Lisa Willnauer. Sie ist bei der RWE Generation SE zuständig für die Wasserstoffprojekte des Konzerns. Wasserstoff sei ein wichtiger Baustein zur Dekarbonisierung und könne in der Mobilität, beispielsweise bei der Bahn oder im Schwerlastverkehr, und der Industrie in großer Menge zum Einsatz kommen. Willnauer spricht von drei Schritten, um das Konzernziel zu erreichen:
- Erzeugung des Wasserstoffs aus regenerativen Energien.
- Speicherung und Transport des Wasserstoffs.
- Umstellung der Gaskraftwerke auf Wasserstoff.
Welche Vorteile bietet der Standort Lingen? Auf dem Gelände des Gaskraftwerks sind die benötigten Flächen vorhanden. Das erforderliche Wasser, das bei der Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird, kann aus der Ems entnommen werden. Zudem bestehen Anschlüsse an ein Erdgas-Fernleitungsnetz, durch das der Wasserstoff transportiert werden könnte.
Welche Anlagen möchte RWE in Lingen bauen? "Zunächst ist der Bau einer Elektrolyseanlage mit 100 Megawatt (MW) Leistung geplant. Diese kann zeitnah um weitere Anlagen mit 200 MW Leistung erweitert werden", sagt Heiko Eisert, zuständig für die Standortentwicklung von RWE in Lingen. Anlagen in solcher Größenordnung gibt es laut Eisert noch nicht. Diese Anlagen könnten auf dem Gelände des Gaskraftwerks errichtet werden. Perspektivisch könnten in Lingen Elektrolyseanlagen mit einer Leistung von zwei Gigawatt entstehen. Dafür würden aber weitere Flächen benötigt.“
Wie sieht der Zeitplan aus? RWE hat ein ehrgeiziges Ziel: "Wir möchten Ende 2023, Anfang 2024 in Betrieb gehen", sagt Eisert. Das Unternehmen befinde sich derzeit schon in der Genehmigungsplanung und wolle Mitte nächsten Jahres die Anträge beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg einreichen. "Eine Elektrolyseanlage muss wie ein Kraftwerk nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden", erläutert Eisert. Mit dem Bau könne dann 2022 begonnen werden. Die Ausschreibung für die Elektrolyseanlage werde schon erstellt.
Ist die Investitionsentscheidung schon endgültig gefallen? Nein. Die Entscheidung hängt noch von drei wesentlichen Faktoren ab:
- Bei der EU beantragte Fördergelder im mittleren zweistelligen Millionenbereich müssen bewilligt werden. Mit einer Entscheidung rechnet RWE bis Ende 2021. Eisert betont, dass die Anlagen noch so teuer seien, dass sie ohne die Fördergelder nicht gekauft und wirtschaftlich betrieben werden könnten.
- Der eingesetzte Strom zur Wasserstoffgewinnung muss von der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz befreit werden. Sonst wäre eine wirtschaftliche Wasserstoffproduktion zu für die Abnehmer bezahlbaren Preisen nicht möglich, sagt Eisert.
- Der Transport von Wasserstoff durch jetzt für Erdgas genutzte Leitungssysteme muss gesetzlich geregelt werden.
Wie könnte die Region von den RWE-Plänen profitieren? Das könnte schon beim Bau der Anlage der Fall sein. "Wir machen die Gebäudeplanung selbst und werden dann auch lokal ausschreiben", kündigt Eisert an. Die Stadtwerke könnten die bei der Elektrolyse entstehende Abwärme für ihr geplantes Fernwärmenetz nutzen. Die BP-Raffinerie, deren geplante eigene Elektrolyseanlage mit einer Leistung von 50 MW nur rund 20 Prozent des Wasserstoffbedarfs decken kann, könnte Wasserstoff von RWE beziehen.
Soll in Lingen geforscht werden? Ja. Mehrere Hersteller von Elektrolyseanlagen möchten Forschungs- und Testanlagen mit Leistungen im einstelligen MW-Bereich vor Ort im Dauerversuch betreiben. Dabei können sie den erzeugten Wasserstoff über die Infrastruktur von RWE vertreiben, was die Kosten senkt. Flächen für solche Anlagen sind vorhanden und können vom Gelände des Gaskraftwerks abgetrennt werden. RWE profitiert im Gegenzug davon, bei der Erweiterung seiner Elektrolyseanlagen auf den neuesten Stand der Technik zurückgreifen zu können.
Welche Wassermengen benötigt RWE? "Für die Erzeugung einer Tonne Wasserstoffs benötigen wir zehn Kubikmeter Wasser, wobei etwa ein Kubikmeter Wasser während des Prozesses verdunstet", erläutert Eisert. Eine 100-MW-Anlage könne pro Stunde zwei Tonnen Wasserstoff produzieren, was einem Wasserverbrauch von 20 Kubikmetern (20.000 Liter) stündlich entspreche. Zum Vergleich: Das Ende 2022 vom Netz gehende Kernkraftwerk Emsland darf pro Stunde bis zu 5400 Kubikmeter Wasser aus der Ems entnehmen.
Welche Rolle spielt das Speicherbecken? "Für die auf dem Gelände des Gaskraftwerks geplanten Anlagen brauchen wir das Speicherbecken nicht", sagt Eisert. Sollte jedoch der perspektivisch angedachte Ausbau auf eine Leistung von bis zu zwei Gigawatt erfolgen, könnte die Nutzung des Speicherbeckens Sinn ergeben. "Vor der Elektrolyse muss das Wasser aufbereitet werden. Das Wasser der Ems ist salzhaltiger als das im Speicherbecken, was die Aufbereitung aufwendiger und teurer macht", erläutert Eisert. Er kann sich daher vorstellen, dass es sich bei größeren Mengen, bei einer Zwei-Gigawatt-Anlage kalkuliert RWE mit einem Jahresbedarf von 3,5 Millionen Kubikmetern, rechnet, Wasser gegen Bezahlung aus dem Speicherbecken zu verwenden. Lingens Oberbürgermeister Dieter Krone sieht RWE als Hauptnutzer des Speicherbeckens. Der Energiekonzern möchte das Speicherbecken jedoch an die Kommunen Geeste und Lingen abgeben. Das Speicherbecken für die Wasserstoffproduktion selbst weiter zu unterhalten, ist aus Sicht von RWE nicht wirtschaftlich.
Was sagen Stadt und Landkreis zu den RWE-Plänen? Lingens Oberbürgermeister Dieter Krone begrüßt das Vorhaben ausdrücklich als in die Zukunft gerichtete Technik. Der emsländische Landrat Marc-André Burgdorf fordert: "Wenn der politische Wille besteht, Wasserstoff als Energieträger zu verwenden, dann müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen schnell geschaffen und die Technologie gefördert werden."